Chinas unbeachtete Republik 2
Thomas Weyrauch:
Chinas unbeachtete Republik
100 Jahre im Schatten der Weltgeschichte
Band 2 (1950 - 2011): 450 Seiten
2011, ISBN: 978-3-938946-15-6
Nachdem Band 1 von Thomas Weyrauchs 800-Seiten-Werk (s. hier in China Observer) Chinas unbeachtete Republik die Zeit zwischen der Entstehung der Republik China im Jahr 1911 und ihrem Ende auf dem chinesischen Festland 1949 in verschiedenen Epochen (Zeit der Militärmachthaber, Vereinigung und Konsolidierung der Republik, Kampf der Zentralregierung gegen chinesische Sowjetstaaten, Krieg mit Japan, Versuch der Umsetzung eines Verfassungsstaates und Revolution der KP) darstellte, war die Beachtung der Leser groß. Der Autor macht nun in seinem zweiten Band die komplexe Entwicklung der Entwicklung nach 1949 anschaulich und ergänzt seine Ausführungen durch reiches, zum Teil bisher unveröffentlichtes Bildmaterial.
Das Ende des Bürgerkrieges ließ zwei stabile Staaten nebeneinander existieren, die 1949 gegründete Volksrepublik China auf dem Festland sowie die 1912 gegründete Republik China, deren Territorium sich im Wesentlichen auf Taiwan und ein paar Inselchen beschränkt. Die Führungen beider Staaten dehnten ihre Machtansprüche auf das jeweils andere Territorium aus.
Durch die Volksrepublik China militärisch in der Existenz bedroht, opferte die Republik China einen Teil ihrer demokratischen Errungenschaften. Allerdings präsentierte das nunmehr ‚kleine China’ unter Präsident Chiang Kaishek in kürzester Zeit eine Wirtschaftsentwicklung, die das Land zu einem Exportweltmeister und entwickelten Land machte. Zugleich konnten das Bildungs-, Sozial- und Gesundheitssystem so weit angehoben werden, bis Sun Yatsens Ziel der Volkswohlfahrt erreicht wurde.
Die eingehende Darstellung des Verfassungsdilemmas der Republik China war Weyrauch für das Verständnis der Epoche zwischen 1950 bis 1986 wichtig. Die meisten der von 250 Millionen Wahlteilnehmern vor der kommunistischen Revolution gewählten Abgeordneten zweier Parlamentskammern waren nämlich der Realität ausgesetzt, nicht mehr ihre Heimatregionen zu repräsentieren, weil das Festland inzwischen von der KP beherrscht wurde und dort keine Wahlen stattfanden. Jedoch standen sie für den Willen der chinesischen Wähler und die überwältigende Zahl der Chinesen. Ein Rücktritt zugunsten von ausschließlich auf Taiwan beschränkten Mandaten konnte folglich für Jahrzehnte nicht infrage kommen. Eine für diesen Zeitraum wenig demokratisch wirksame Politik hielt jedoch am Staatsziel der demokratischen Umgestaltung im Sinne des Republikgründers Sun Yatsen fest.
Nicht nur diktatorisch, sondern totalitär war dagegen Mao Zedongs Volksrepublik geprägt. Der despotische Alleinherrscher rief immer wieder zu neuen Bewegungen auf, die seine Macht zwar festigten, zugleich aber Hungersnöte und Gewaltexzesse mit einem Blutzoll in Höhe von über 70 Millionen Opfern mit sich brachten. Erst nach Maos Tod konnte sich die Volksrepublik China in einer grundsätzlichen Umgestaltung wirtschaftlich entwickeln.
Während in Taiwan schon in den achtziger Jahren demokratische Verhältnisse Einzug hielten, ringt man auf dem Festland noch immer um Demokratie und Menschenrechte. Die Republik China hat - zumindest auf Taiwan - alle Staatsziele Sun Yatsens, nämlich Unabhängigkeit, soziale Gerechtigkeit und Demokratie verwirklicht. Dieses originär demokratische China hat damit neben den Wahlen von 1913 und 1947 noch mehr zu bieten, nämlich 25 Jahre ununterbrochene demokratische Praxis, die den Alltag von 23 Millionen Bürgern der Republik auf Taiwan, Penghu, Jinmen und Mazu prägt.