Chinas unbeachtete Republik 1
Thomas Weyrauch:
Chinas unbeachtete Republik
100 Jahre im Schatten der Weltgeschichte
Band 1 (1911 - 1949): 350 Seiten
2009, 3. Aufl. 2012, ISBN: 978-3-938946-14-8
100 Jahre im Schatten der Weltpolitik
Chinas republikanische Verfassung geht auf die Revolution von 1911 zurück, als die letzte Dynastie ihr Ende fand.
Bereits 1913 hatte die junge Republik China eine Verfassung und freie Wahlen. Doch Anhänger des Ancien régime rissen die Macht an sich. Das Land wurde in die Territorien verschiedener Warlords fragmentiert, die sich gegenseitig bekämpften. Der geistige Vater der Republik, Sun Yatsen, war bis zu seinem Tode nicht in der Lage, China unter einer verfassungsmäßigen Ordnung zu einigen.
Die Hilfe aus der Sowjetunion hatte er deshalb gern in Anspruch genommen, doch entpuppte sie sich als zerstörerische Kraft. Mit der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas, die zunächst auf Weisung Stalins Gewaltakte großen Ausmaßes unter dem Begriff "Klassenkampf" verübte, entstand neben den Militärherrschern ein potenter innenpolitischer Gegner, der zudem in der Struktur von Sun Yatsens Partei, der Guomindang, einen festen Platz mit Mitgliedsrechten und Funktionen innehatte.
Als Nachfolger des verstorbenen Sun Yatsen bekämpfte Chiang Kaishek die KP nach ihren Putschversuchen. Zudem gelang es ihm, die Warlords militärisch zu besiegen und China zu vereinigen. Staatliche Strukturen entstanden, und die Republik blühte auf. Das galt nicht für alle Regionen, denn die Kommunisten hatten 13 Sowjetgebiete etabliert, in denen rund 50 Millionen Menschen unvergleichlichem Terror ausgesetzt waren. 2,5 Millionen davon wurden von den kommunistischen Machthabern ermordet.
Chiang zerschlug diese Sowjetrepubliken und vertrieb die verbleibenden Kommunisten nach Nordchina. Inzwischen war das japanische Militär in der Mandschurei eingefallen. Das militärisch schwächere China musste diese wichtige Nordregion räumen. Es war deshalb für die aus der Mandschurei stammenden Militärangehörigen nicht nachvollziehbar, weshalb sie sich am Kampf gegen die Kommunisten, nicht aber an einem Krieg gegen Japan beteiligen sollten. Für Chiang musste China aber zunächst innenpolitisch konsolidiert werden, bevor die Republik in der Lage war, sich wirksam zur Wehr zu setzen.
1936 wurde Chiang von eigenen Offizieren aus der Mandschurei im nordchinesischen Xi´an gekidnappt und zur Einstellung aller Handlungen gegen die KP gezwungen. Die Kommunisten hatten damit alle Handlungsfreiheit, sich zu bewaffnen und die Zentralregierung zu schwächen. Diese Möglichkeit nutzte das japanische Militär, als es den Krieg gegen China 1937 eröffnete und riesige Landstriche unter seine Herrschaft brachte.
Die Nationalarmee musste in der Folge einen Zweifrontenkrieg führen - gegen Japan und gegen den Feind im eigenen Land. Bei Kriegsende schloss die Sowjetunion mit der Republik China einen Freundschaftsvertrag, der Chiang täuschen sollte. Es war nämlich ein Kriegseintritt der UdSSR im Fernen Osten vorgesehen. Dabei einigten sich beide Staaten darauf, dass auf chinesischem Boden erbeutete Waffen der Zentralregierung übergeben werden sollten. Zwischenzeitlich kämpften die KP-Anhänger schon offen gegen die Nationalarmee Chinas, nachdem sie sich in den Kämpfen gegen Japan zurückgehalten hatte. Als schließlich Japan kapitulierte, übergab die Sowjetunion vertragswidrig die erbeuteten japanischen Waffen der KP, die nun ihre Revolution begann.
Die Kommunistische Partei hatte es damit nicht nötig, auf Angebote der Regierung einzugehen, sich an einer Koalitionsregierung und an freien Wahlen zu beteiligen. Von 460 Millionen Chinesen waren 350 Millionen wahlberechtigt. 250 Millionen davon war es möglich, zur Wahl zweier Parlamente, der Nationalversammlung und des Legislativ-Yuan, an die Urnen zu gehen. Viele Millionen wurden von den Kommunisten mit Gewalt und Drohungen an der Wahl gehindert. Dennoch traten beide aus unterschiedlichen Parteien und Unabhängigen zusammengesetzte Gremien 1948 zusammen und beschlossen als erstes ein Gesetz zur Bekämpfung der Kommunistischen Partei Chinas und ihrer Rebellion.
Doch der grausame KP-Führer Mao Zedong kümmerte sich nicht um Demokratie, sondern ließ von seiner "Volksbefreiungsarmee" unter Missachtung des Willens der Bevölkerung das chinesische Festland überrennen. Mit immer neuen Zwangsrekrutierungen und erbeuteten Waffen beendete er schließlich die Republik China auf dem chinesischen Festland.
Auf die nach 50jähriger japanischer Okkupation 1945 an China zurückgegebenen Insel Taiwan blieb die Republik China erhalten. Doch die brutale Ausbeutung der taiwanesischen Bevölkerung durch einen Militärgouverneur führte zu einem Aufstand gegen die Festländer, mit einer Vielzahl Toten. Chiang Kaishek ließ zwar diesen Gouverneur entmachten und bestrafen, doch blieben Ressentiments zwischen Taiwanesen und Festländern auf der Insel über Jahrzehnte erhalten.
Die Betrachtung der fast hundertjährigen republikanischen Geschichte zwischen der Revolution von 1911 und unseren Tagen beschreibt Destabilität, Konsolidierung, Kämpfe, Bürgerkriege, den 2. Weltkrieg, die Revolution von 1949 und die getrennten Wege von Republik und Volksrepublik China. Ein Land zwischen Depression und Hoffnung, zwischen Zerstörung und Aufblühen, zwischen Repression und dem Erreichen einer stabilen Demokratie - zumindest auf Taiwan - wird vom Verfasser detailreich vorgestellt.
vgl. auch
Band 2 (1950 - 2011): 450 Seiten
2011, ISBN: 978-3-938946-15-6